Verena Rauch/Walter Prenner/Teresa Stillebacher: Im Rahmen der Bachelorarbeit entwickeln wir gerade zusammen mit 17 Studierenden eine kleine Architektur am anderen Ende der Welt, in Pozuzo, Peru. Dieses Projekt reiht sich ein in die Design-Build-Projekte des ./studio3. Pozuzo verfügt über eine kulturelle Eigenart. 1857 machten sich rund 300 Tiroler*innen und Rheinländer*innen auf, getrieben von Armut, den Revolutionen und Aufständen in Europa, zu einer Reise ohne Wiederkehr nach Peru. Nur die Hälfte davon erreichte nach zweijähriger Irrfahrt ihr Ziel Pozuzo am Rande Amazoniens. Ihre Nachfahren leben noch heute dort, sprechen „Tirolisch“ und halten an kulturellen Besonderheiten fest. Der Verein Freundeskreis für Pozuzo, dessen Zweck die Förderung und Pflege der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Tirol und den Nachfahren der Kolonisten in Pozuzo ist, wurde an das ./studio3 herangetreten, um vor Ort eine interkulturelle Schnittstelle für ihre Aktivitäten zu errichten. Wir starten den Prozess mit kleinen Entwurfsübungen und beziehen uns inhaltlich auf die „Poetik der Vielheit“ des französischen Schriftsteller, Dichter und Philosophen Édouard Glissant. Er beschreibt die Idee der interkulturellen Kommunikation, welche nicht dieses mit jenem, sondern alles mit allem verbindet. Die „Kreolisierung“ nach Glissant ist ein Zusammenspiel von heterogenen, aber unbedingt als gleichrangig geltenden kulturellen Elementen, die dabei zwar verwandelt, aber nicht wie in einem Schmelztiegel aufgelöst werden.
Dieser Ansatz wird methodisch mit dem Semesterthema der Assemblage vereint und weiterentwickelt. Wir stellen uns der Herausforderung, Möglichkeiten eines globalen Austauschs durch den gemeinsamen Prozess des Entwerfens und Bauens zu finden, Kulturen nicht zu homogenisieren, sondern ein eigenständiges Repertoire zu finden, aus dem Neues entstehen kann. Wir versuchen somit nicht nur architektonische Elemente und Eigenheiten neu zu interpretieren, weiterzuentwickeln und zusammenzufügen, wir wollen darüber hinaus materielle und immaterielle, kulturelle und künstlerische Bausteine für eine Poetik der Vielheit finden und diese Bausteine zu einer räumlichen Assemblage fügen. Scheinbar Widersprüchliches, Kurioses, Alltägliches, Natürliches und Gefundenes wird zusammengefügt, komponiert und zu einer identitätsstiftenden, räumlichen, dreidimensional auf den Bauplatz gestrickten Assemblage vereint. Überraschende, zufällige, unerwartete und unbekannte Momente der Assemblage sind die Essenz für die zu entwickelnde kleine Architektur.
Ein zweites 1:1-Projekt in Innsbruck, das am Vorplatz vor der Messehalle im Sommer realisiert wurde, ist eine Bühne für den neu umgebauten COOL INN Park, die als „Klimasalon“ fungieren wird. Diese Bühne wird im Sinne der Nachhaltigkeit als Assemblage aus einer Vielfalt an recycelten Materialien gebaut. Sie wird Fragen aufwerfen, die sich mit den Auswüchsen des Anthropozäns beschäftigen, mit der Fragilität unserer Gesellschaft und unserer Umwelt, mit den Hinterlassenschaften und menschlichen Abdrücken, den Deponien, dem Synthetischen und dem schönen Trash.