Hinter der Gegenwartskunst
Für Außenstehende ist die Kunstwelt oftmals ein faszinierendes, weil schlecht fassbares Universum. Viel glitzert, es wird Sekt getrunken, gebusselt. Wer ruled das Business? Kurator, Sammler, Museumschef, Galerist, Kritiker (bewusst nicht gegendert). Wer viele Antworten geben kann, fragt höchstens “Na, schon was Interessantes gesehen?” – die Standard-Investigativfrage des Businesses. Ja, wir haben Interessantes gesehen und gehört. Keine Kunstwerke aber, kein letzter, heißer Theorie-Scheiß. Keine Starkurator*innen und die hohe Museumsleitung stehen bei uns dieses Mal auf dem Speiseplan, sondern ein Blick hinter die Kulissen ist für diesen Beitrag das, nach dem wir suchen. Vorsichtig, Looky, but no touchy – unauffällig haben wir uns an die Versen eines Kunstwerks und einer ganzen Ausstellung geheftet. Abseits der klassischen Akteure haben wir uns schnell komplett wohlgefühlt: Beim Schlosser (Herr Gassi), der ein Kunstwerk fertigt, beim Architekten (Jakob Breitenlechner), der eine Ausstellung plant (und baut), bei der Kunstspediteurin (KathrinSandrini), die eine Ausstellung rund um die Welt schickt, beim Kulturmanager (Robert Gander), der Museen berät und beim Techniker (“Dor Tobi”), der den Ausstellungsaufbau koordiniert. Wir begleiten das Kunstwerk von der Werkstatt ins Museum. All diese Dienstleistungen kommen frisch aus nächster Umgebung. Ja, natürlich würden Grafiker*innen, Vermittler*innen, Restaurator*innen, Fotograf*innen, Verlage und Etliche mehr in das Feld jener Kulturarbeiter*innen passen, die beim Nachdenken über Kunst allzu oft durch den Rost fallen. Sie alle gehören im positivsten Sinne hinter die Gegenwartskunst. Deshalb, in der aktuellen Diskussion darüber, inwiefern Kultur denn überhaupt systemrelevant ist, müssen sie ebenso mitbedacht werden, wie Künstler*innen oder Kunstvereine. Denn bei ihnen taucht man tief ein in das Business Kunst. Und wir wollen die Kunstwelt stets etwas fassbarer machen. Lesen und Zuhören auf eigene Gefahr! Das Plaudern hinter den Kulissen ist entzaubernd und faszinierend zugleich.
“Wenn du ein gutes Team hast, in dem jedem eine tragende Rolle zukommt, dann ist es nicht unbedingt so wichtig, wie versiert jeder Einzelne ist. Das Team entwickelt eine Eigendynamik, die übersteigt die Leistung eines Einzelnen bei Weitem.”
– Tobias Weißbacher
Tobias Weißbacher
Tobias Weißbacher (*1976) ist technischer Manager und Projektmanager aus der Wildschönau. Er hat in Innsbruck Pädagogik mit dem Schwerpunkt Grundlagen der Beratung studiert und arbeitet seit 2001 in unterschiedlichen Institutionen an der Umsetzung von Ausstellungen. Er wirkte bisher bei über 150 Ausstellungen mit.
Was machst du genau?
Nie das Gleiche, das liebe ich so an meiner Arbeit. Das Attraktive an meiner Arbeit für Ausstellungshäuser und Künstler*innen besteht in der Formgebung der Präsentation, die als Ausdruck stets neue Eindrücke sucht, findet und schließlich vermittelt. Es ist mein Privileg, für und mit Menschen zu arbeiten, die in ihrem Wirken die Welt stets neu definieren und gestalten.
Wie definiert sich deine Tätigkeit?
Berufsbezeichnungen gab es im Laufe der Jahre schon mehrere. Eigentlich bin ich zuständig für das gesamte technische Management, für die Organisation der Ausstellungstechnik – vom Angebot bis zur Installation. Die Wirtschaftskammer sagt, ich bin ein Werbearchitekt. Zuletzt habe ich eine Weiterbildung als Projektmanager absolviert. Darin spiegelt sich auch das Spektrum meiner Tätigkeit am Besten wider: Die Methode des Projektmanagements wurde ja entwickelt, um auf dem Mond zu landen. Ausstellungen sind diesbezüglich ähnlich, sie stellen uns – ebenso wie die Landung auf dem Erdtrabanten – vor die Herausforderung, jeweils Neues generieren zu wollen.
Wie kamst du zu deinem Beruf?
Den Anfang machte während meines Studiums die Anfrage eines Freundes, ob ich ihm aushelfen könnte, 2001 im Innsbrucker Taxispalais bei der Ausstellung Personal Cuts von Sanja Iveković. Ich montierte dort einen Fernseher, platzierte Kabel und strich ein paar Wände. Daraufhin wurde ich immer wieder als Art Troubleshooter bei Angelegenheiten technischer Natur angefragt. Seit 2004 bin ich im Taxispalais als Technischer Leiter tätig sowie in diversen anderen Institutionen beziehungsweise auch direkt für Künstler*innen.
Eine Zwischenstationen führte dich auch auf die Biennale in Venedig.
Genau, als Silvia Eiblmayr 2009 mit VALIE EXPORT Kommissärin des Österreichischen Pavillons war, habe ich erstmals auf der Biennale gearbeitet. Geholt wurde ich damals in den letzten Wochen vor der Preview, als der Hut brannte – also wiederum als Troubleshooter. In den folgenden drei Jahren habe ich den Pavillon betreut und an den Ausstellungen mitgearbeitet.
Wie war die Atmosphäre auf der Biennale?
Eine Frage, die uns verfolgt, ist jene der Nachhaltigkeit - gerade weil wir jetzt nochmal über die Biennale sprechen. Ändert sich da was?
Netzwerker haben einen Vorsprung. Meine Mitarbeiter in Venedig initiierten schon in den frühen 2000ern die Plattform Rebiennale. Sie versuchen bereits im Vorfeld der Biennale, also schon in der Planungsphase auf die Pavillons und die Verantwortlichen zuzugehen und die Verwendung von Materialen für den Gebrauch nach der Ausstellung zweckzuwidmen; das heißt, sie übernehmen die Entsorgung und bekommen dafür das verwendete Material. Das erspart den Ausführenden die unglaublich hohen Entsorgungskosten in Venedig und ermöglicht die nachhaltige Verwendung unserer Ressourcen anstelle der andernorts oftmals stattfindenden Materialschlacht. Hier in Innsbruck arbeite ich übrigens mit einem ähnlichen Modell, allerdings ohne Plattform: Falls möglich, verwenden wir für den Aufbau lokale und nachhaltig nutzbare Materialien. Und danach versuchen wir, sie wiederzuverwenden, sie etwa an Institutionen weiterzugeben. Verwendung für das Material haben in Innsbruck etwa die Kunst- und Architekturschule bilding, die Kultureinrichtung Die Bäckerei, das ./studio3 der Uni Innsbruck oder auch das Upcyclingstudio.
Wie können wir uns die Vorbereitung auf eine Ausstellung oder den ersten Kontakt mit Kurator*innen vorstellen? - Kommen sie mit einem Plan zu dir und du gibst dann Tipps, was geht und was nicht?
Um was kümmerst du dich? Auch um die Besorgung von Material?
Wie viel Zeit ist für den Aufbau normalerweise reserviert?
Das hängt von der Ausstellung ab, vielleicht zwei Wochen im Durchschnitt? Wenn Flachware, sprich Bilder gehängt werden, dann braucht es oftmals nur wenige Stunden. Wenn komplexe Strukturen in begrenzten Zeiträumen errichtet werden sollen, bedarf es einer sehr straffen Organisation – das kann zum entscheidenden Kostenfaktor werden und Risiken bergen. Deshalb wird bei umfangreichen Projekten der Zeitrahmen großzügiger gestaltet. Ob die Umsetzung trotz aller möglichen Komplikationen reibungslos ablaufen kann, ist vorrangig eine Frage der Organisation.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Künstler*innen?
Achtest du bei fremden Ausstellungen besonders darauf, wie sie installiert wurde? Eine Art Berufskrankheit?
Ja, natürlich schaut man, wie die Anderen arbeiten und natürlich fällt mir auf, wenn irgendwo das Budget ausging oder wenn es am Schluss besonders eilig wurde oder einfach nur schlampig gearbeitet wurde. Ich sage gern, meine Arbeit sieht man nur, wenn ich sie nicht vollende. Das ist wie im Haushalt, dort sieht man auch nur was nicht erledigt wurde. Das ist schlecht für’s Ego gut für die Demut. Das Wesen meines Jobs ist es, das Werk ins rechte Licht zu rücken, nicht aber meine Arbeit, wohl aber ist sie die Grundlage jeder Ausstellung. Die Glanzleistungen meiner Branche inspirieren mich aber genauso wie die Architektur und das Design oder eine präzise ausgeführte Tischlerarbeit. Es gibt unglaublich viele Leute in meiner Branche, die wunderbare Arbeit leisten.
Was waren die verrücktesten Erfahrungen, die du in deiner Laufbahn als technischer Manager gemacht hast?
Bei meiner Arbeit im Taxispalais gab es schon regelmäßig Extremsituationen: Für Hans Schabus haben wir in der Ausstellung Die Kräfte hinter den Formen, schon mal die Ecke des Ausstellungsraumes herausgeschnitten und mitten im Raum platziert. Für Thomas Feuerstein wurden zwei Kilometer Schläuche verlegt und eine gläserne Kläranlage in die Halle gehängt. Für Christoph Hinteregger haben wir 12.0000 leere Kugelschreiberhülsen an einer sechs Meter hohen Betonmauer angebracht. Eine meiner fleißigsten Mitstreiterinnen hat in drei Tagen Edith Dekyndts Vorhang (“They shoot horses”) mit 100.000 Nägeln zurecht gerückt. Ja, da gab es schon einiges.
Welche Kunst beeindruckt dich?
Wirklich Unterschiedliches. Vor dem verklärten Blick der Madonna mit Kind im San Zaccaria-Altarbild, gefertigt von Giovanni Bellini, werde ich richtig andächtig. Das Bild, dieses unschuldige Gesicht brennt sich ins Hirn und lässt einen ein Leben lang nicht mehr los. Auch Michelangelos Pietá, sein letztes Werk, an dem er bis zu seinem Tod gearbeitet haben soll, mit seinen verschrobenen Proportionen lässt mich erschaudern. Mich beeindrucken Werke, die in mir etwas bewegen, einen Ausdruck finden, der mir neuartige Perspektiven und idealerweise eine bis dato unbekannte Welt eröffnet.
EINE HERAUSFORDERUNG ::::::
Eva Schlegel, Mirroring Stages in Confusion, 2018 (Auftragsarbeit des OÖ Kulturquartier für voestalpine open space in Linz, 2016) LIEBEN, Ausstellungsansicht TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol , 2018 © 2018 Bildrecht, Wien Foto: Günter Kresser
dIGI WühLTISCH
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