GEORG HEROLD
ANNA JERMOLAEWA
HEIMO ZOBERNIG

Artists
   Georg Herold
   Anna Jermolaewa
   Heimo Zobernig

Georg Herold - Anna Jermolaewa - Heimo Zobernig

Opening: 8. July 2022, 7pm
July - September 2022

Text zur Ausstellung
Georg Herold – Anna Jermolaewa – Heimo Zobernig   Transformationen des Realen

Die Sommerausstellung der Galerie Widauer vereint drei wesentliche künstlerische Positionen des Galerieprogramms: Georg Herold, Anna Jermolaewa und Heimo Zobernig. Allen gemeinsam ist eine Auseinandersetzung mit Aspekten des Realen, seien es politische, gesellschaftliche oder auch sprachliche Referenzen. Und doch sind ihre künstlerischen Konzepte sehr unterschiedlich.

 Bei Georg Herold sind es Kontext und Sprache, die scheinbar banale Objekte der Wirklichkeit transformieren, verändern, ironisch brechen oder ihnen eine andere Wirklichkeit verleihen. Bei seinen Skulpturen ist der Sockel zumeist intrinsischer Bestandteil des Kunstwerkes. So wird die Assemblage aus skulpturaler Struktur mit Damenstrumpfhose von 1995 , dem kecken Kussmund, dem einfachen Holzsockel und der Referenz an den Hollywoodschauspieler Burt Lancaster zu einer vielschichtigen Hommage an das Weibliche und die Ikonenhaftigkeit des Realen. Der Kussmund als Ausdruck des Individuellen, unwiederbringlich Augenblicklichen verweist zeichenhaft auf jenen unvergänglichen Filmmoment etwa des Kusses aus From here to Eternity zwischen Burt Lancaster und Deborah Kerr, während die hautfarbene Strumpfhose als Readymade das skupturale, weibliche Element verkörpert. Ein anderes wesentliches Motiv bei Herold sind Konstellationen disparater Elemente, die, zusammengefügt, spannende expressive und gesellschaftskritische  Divergenzen bloßlegen, aber immer auf poetisch überhöhte, allgemeingültige Weise, wenn er etwa einer Hommage an den großen amerikanischen Boxer Cassius Clay, der als Muhammad Ali aus ärmlichen Verhältnissen stammend zu einer sportlichen Legende wurde. Den schwarzen Boxhandschuh als Kampfgeste in Form der geballten Faust überschüttete der Künstler mit Kaviar und Kristallen, eine augenzwinkernde Referenz an Geld und Ruhm.

Auch bei Anna Jermolaewa ist die Wahrnehmungswelt Ausgangspunkt künstlerischer Reflexionen. Bei ihr beeindruckt die konkrete Bildwelt, deren Voraussetzung jedoch konzeptuelle Bezüge und Referenzen sind. In ihrer Arbeit Clockwork von 2021 präsentiert sie 10 Bahnhofsuhren, die unterschiedliche Zeiten anzeigen. Es sind sogenannte Tochteruhren,

abgekoppelt im doppelten Sinn von der jeweiligen Mutteruhr. Diese Mutteruhren aus unterschiedlichen Ländern steuern alle anderen Uhren bahnhofweit, indem sie einen Minutentakt vorgeben, jenen elektrischen Impuls an die Tochteruhren weitergeben und so den Minutenzeiger weiterbewegen. Bei Jermolaewa spiegeln die eingefrorenen Zeiten jenen Augenblick des Abkoppelns wider. Auf subtile Weise sind die Mutteruhren indirekt durch die angehaltene Zeit präsent. Es ist also zugleich auch eine Studie über die Zeit, den Augenblick und die symbolisch durch die Uhren ausgelöste Reflexion über komplexe Beziehungsgeflechte. Jermolaewas symbolhafte Bildsprache wird auch in einer Fotosequenz von 2003 sichtbar, dem Monkey Theatre, in der sie einer Handpuppe expressiven Gestus und geradezu menschliche Präsenz verleiht. Auch in diesem Werk wird der Affe vom Menschen gelenkt und wirft ihm jedoch ein Spiegelbild seiner selbst zurück.

Im großen Raum, gegenüber den Uhren Jermolaewas, ist eine mehrteilige Arbeit von Heimo Zobernig zu sehen. Zobernigs Bildwelt ist einerseits ganz nah am Realen, zugleich legt er durch formale und ästhetische Verdichtung auf Aspekte des Minimalen das Wesen jener Wirklichkeit offen. In diesem Werk von 1999 sehen wir Ausschnitte aus einem Schriftzug, wobei sich durch die Bildformate und den Schriftschnitt aleatorische Buchstabenkonstellationen ergeben. Dazu kommt als zweite Ebene die Reduktion der Farbwelt auf Schwarz und Weiß, entsprechend der Druckschrift auf weißem Papier. So ergeben sich zwei Wahrnehmungsverläufe: Die Wortfragmente, die im äußersten Bild in ein schwarzes Feld münden und der schachbretthafte Wechsel von Weiß und Schwarz als Bildgrund bzw. Schriftfarbe, die ebenfalls in dem schwarzen Feld enden. Das schwarze Bild ist somit zugleich leerer Bildraum und Sprachraum.

Auf ganz unterschiedliche Weise reflektieren die Künstler und die Künstlerin die Wahrnehmungswelt, die in ihren Werken aber zeichenhaft als collagehafte Wirklichkeit, als sprachlich bildhafte Form oder als symbolhafte Referenzebene erscheint und uns über wesentliche Bedingungen von Zeit, Raum und Sprache nachdenken lässt.  
Gaby Gappmayr 2022