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Gegenwartskunst lernen

Normalerweise liegt der Fokus auf Kurator*innen, Künstler*innen oder Wissenschaftler*innen, die es schon hinter sich haben. Viele von ihnen waren an der Universität oder der Akademie, um dort ihr Studium abzulegen. Und erinnern sich in Gesprächen gern an die Zeit zurück. In „Gegenwartskunst lernen“ geht es auch für uns noch einmal zurück in den Hörsaal. Wir haben das Gespräch mit Lehrenden und Studierenden gesucht, haben Lehrpläne und Schwerpunkte durchforstet – natürlich immer auf der Suche nach Jetztkunst. Als erstes haben wir uns in unserer nächsten Nachbarschaft umgeschaut. Wo lernt man rund um den Brenner etwas über Gegenwartskunst? Wie viel und wie gut? Und wie geht’s den Studierenden gerade?

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Kunstgeschichte in Innsbruck:

Über 350 Jahre ist Innsbruck jetzt Universitätsstadt, insgesamt rund 27.000 Studierende tummeln sich zwischen mehreren Studienstandorten. Altehrwürdig quasi in der Stadtmitte liegt die GEIWI (Geisteswissenschaft) direkt neben dem Hauptgebäude am Innrain, wo es ganz oben im GEIWI-Turm auch kunsthistorisch hoch her geht. Im 10. Stock ist das Institut der Kunstgeschichte angesiedelt. Von der Antike bis in die Gegenwart reicht der Stoff, der dort aktuell rund 300 aktiven Studierenden eingetrichtert wird. Bei Markus Neuwirth, der seit 2000 am Institut lehrt, bekommen die Jungen außerdem einen Crashkurs darin, wo zukünftige Berufsfelder liegen. Gute Verbindungen in die heimische, zeitgenössische Szene hält er für das A und O jeder kunsthistorischen Ausrichtung. Gewissermaßen ein Frischling am Innsbrucker Institut für Kunstgeschichte ist Martina Baleva. Ihr Osteuropa-Schwerpunkt ergänzt die Lehre an der Universität um einen bisher vielleicht zu wenig ausgeprägten Aspekt. Worauf sich beide Lehrenden in unserem Gespräch mit ihnen freuen: Die Ausstellungstätigkeit an der Universität soll in Zusammenhang mit der Uni-Sammlung demnächst wieder aufgenommen werden. Um zu lesen/hören, was die beiden sonst noch erzählen, einfach weiterscrollen.

Last but not least kommen die Studierenden an die Reihe. Auch mit ihnen haben wir über das Kunstgeschichte-Studieren in Innsbruck geplaudert. Da stechen Pandemie-bedingt natürlich vor allem Sorgen der jungen Nachwuchskunsthistoriker*innen durch. Ihre wichtigsten Fragen listen wir euch am Ende des Beitrags auf.

Sollte dem*der einen oder anderen Leser*in bei dieser Lektüre jetzt gar selbst ein plötzliches Interesse für das Kunstgeschichte-Studium ausbrechen, im Pop-Up „Leseliste“ noch ein besonderer Service: Unsere Einsteiger*innen-Bibliothek für Newbies der Kunstgeschichte sollte jeder im Bücherregal stehen haben. Um dann und wann auch mal darin zu blättern. Inzwischen aber viel Freude mit unserem intensiven Beitrag!

Wir haben uns mit Markus Neuwirth in seinem Büro auf einen Plausch über das Institut und seinen Werdegang getroffen. Nachhören könnt ihr das hier:

Markus Neuwirth

(*1960) ist ao. Professor für Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck, er wirkt in Japan, Granada und Lissabon. Er studierte Kunstgeschichte, Psychologie und Philosophie an der Universität Innsbruck, wo er 2000 zum Thema “Ästhetik des Staunens” habilitierte. Von 1990 bis 1991 war er interimistischer Leiter der Abteilung Ostasien und Islam am MAK Museum für Angewandte Kunst in Wien. Von 1991 bis 2000 arbeitete er als Assistent am Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck. Seit 2000 hat er ebendort eine Professur für Kunstgeschichte inne. Seine Forschungsaufenthalte brachten ihn nach Japan und Lissabon. Außerdem war er 2007 und 2017 als Gastprofessor an der Universität Leiden tätig.

Zum Institut für Kunstgeschichte gehört auch eine hauseigenen Sammlung, die nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. mithilfe von Schenkungen heimischer Künstler*innen entstand. 2019 zählte die Sammlung 777 Werke aus allen Gattungen zeitgenössischer Kunstproduktion.

FaKTeN

Aktuell sind 263 Studierende für das Bachelor-Studium Kunstgeschichte eingeschrieben, 58 Studierende machen in Innsbruck ihren Master. Der Master-Studiengang ist damit der zahlenmäßig größte an der Philosophisch-Historischen Fakultät in Innsbruck.

Aktuell arbeiten am Institut für Kunstgeschichte fünf Professor*innen, acht wissenschaftliche Mitarbeiter*innen.

Die Universität Innsbruck wurde 1669 gegründet.

Die Studienfächer Architektur, Vergleichende Literaturwissenschaft, Medienwissenschaften, Musikwissenschaften, Europäische Ethnologie, Archäologie, Classica et Orientalia, Anglistik und Amerikanistik, Sprachwissenschaften, Philosophie, Soziologie, Gender, Kultur und Sozialer Wandel greifen immer wieder mal Themen auf, die auch auf der Kunstgeschichte behandelt werden.

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"Sommer = Gegenwartskunst-FestivalZeit", hier.

(*1972) ist seit 2019 Professorin für Kunstwissenschaft mit dem Schwerpunkt Neueste Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck. Sie studierte Kunstgeschichte, Ost- und Südosteuropäischen Geschichte sowie Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin und promovierte 2010 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2010 bis 2011 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften in Berlin tätig. Danach folgte die FAG Stiftungs-Assistenzprofessur für Kulturelle Topographien Osteuropas im 19. und 20. Jahrhundert an der Universität Basel.

Vier Fragen an Martina Baleva

Was hat Sie bewogen nach Innsbruck zu kommen?

Es war die neu ausgeschriebene Professur für Kunstwissenschaft mit Schwerpunkt auf Neueste Kunstgeschichte, die mich nach Innsbruck gelockt hat. Besonders attraktiv war auch die Leitung der institutseigenen Kunstsammlung, die an der Professur gekoppelt war, und als ich den Ruf bekommen habe, war für mich klar, dass ich nach Innsbruck gehe.

Welches Potential sehen Sie am Standort Innsbruck im Bereich der Gegenwartskunst?

Gemessen an seiner Größe und geografischen Lage verfügt Innsbruck über eine überdurchschnittliche Dichte an Institutionen, Orten und Initiativen für Gegenwartskunst, darunter auch solche mit internationaler Reichweite wie das Taxis-Palais oder das Schloss Büchsenhausen. Mit der Errichtung des neuen Ausstellungsraums des Instituts für Kunstgeschichte wollen wir Teil dieser zeitgenössischen Kunstlandschaft werden und diese auch nachhaltig mitprägen. Da es sich um keinen etablierten Ort handelt, den wir bespielen werden, betrachte ich den neuen Ausstellungsraum als ein offenes Experimentierfeld mit entsprechend spannendem Potential. Zuletzt haben wir am Institut auch das Projekt „Kunst im Gang“ beerbt und haben vor, dieses auch überregional anschlussfähig zu machen. Für mich ist und bleibt Innsbruck weiterhin eine vielversprechende Stadt für die Entfaltung zeitgenössischer Kunst.

Wie sehen Sie den Stellenwert der Gegenwartskunst am Institut für Kunstgeschichte der LFU?

Schon wegen der institutseigenen Kunstsammlung und der durch uns verwalteten Artothek des Bundes Tirol wurde Gegenwartskunst am Institut für Kunstgeschichte stets groß geschrieben. Dass der alte Ausstellungsraum unseres Instituts seit geraumer Zeit nicht in Betrieb ist, hat dem Stellenwert von zeitgenössischer Kunst an der Universität Innsbruck allerdings einen gewissen Abbruch getan. Denn in meinen Gesprächen mit Student*innen stelle ich leider immer wieder fest, dass viele von ihnen die Kunstsammlung nicht kennen. Dies wird sich auf jeden Fall ändern, sobald der neue Ausstellungsraum in Betrieb geht und wir dort nicht nur Lehrveranstaltungen durchführen können, sondern diesen auch regelmäßig mit Ausstellungen bespielen.

Wie wichtig ist Ihnen die Lehre am Objekt (eventuell auch in Verbindung mit den Sammlungen des Instituts)?

Es gibt wohl kaum eine andere geisteswissenschaftliche Disziplin, für die das physische Erlebnis des Studienobjekts so wichtig ist wie die Kunstgeschichte. Ob es sich um Architektur, Denkmal, Gemälde, Fotografie oder raumgreifende Installation handelt – für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen Objekten ist das Studium des Originals unabdingbar. Geradezu schmerzlich bewusst wurde uns Kunsthistoriker*innen dies während der durch die Pandemie bedingten virtuellen Lehre. Über Artefakte am Bildschirm zu reden, erscheint mir – je länger sich das Studium online hinzieht – fast schon paradox. Umso mehr freue ich mich auf die Zeit, wenn es möglich sein wird, im geplanten Schaudepot unseres künftigen Ausstellungsraums vor den Originalen unserer Kunstsammlung zu lehren, in die Museen oder auf Exkursionen zu gehen und Kunst mit allen Sinnen zu erleben und zu studieren.

𝔖𝔱𝔲𝔡𝔦𝔢𝔰-Zone

Was treibt die Studierenden an der Universität Innsbruck gerade so um? Das haben wir bei den Student*innen der Kunstgeschichte direkt abgefragt. Geantwortet haben sie ebenso in Fragen, die sie sich aktuell am häuftigsten stellen. Darunter finden sich vor allem Zukunftssorgen – und etliche GIFs und nice Anekdoten zum Kunstgeschichtestudium. Hier ein kleiner Überblick zum Mitlesen und Mitschauen:

1. Ob ich es wirklich schaffe es abzuschließen?

4. Wie entwickelt sich der kunsthisotorische Arbeitsmarkt? Werden nach der Pandemie auch Jobs an junge AbsolventInnen vergeben? Können Exkursionen irgendwann wieder physisch stattfinden? Wie kommen junge StudentInnen mit der jetzigen Situation am Institut zurecht, wie verändert sich für sie das Studieren von Kunstwerken? Können überhaupt gute Diskussionen geführt werden, um sich kunsthistorisch weiter zu entwickeln, wenn alles nur noch virtuell abgehalten wird?

5. Wieviel Relevanz das Gelehrte für die Zukunft einer Person hat, die im kulturellen Bereich arbeitet wird/will?

2. Wahrscheinlich stelle ich mir grad am häufigsten die Frage, wie es dann mit meiner Zukunft aussieht? Welche Jobchancen ich bekommen werde, ob das überhaupt Sinn gemacht hat nach meiner Leidenschaft zu gehen anstatt ein Studium zu wählen, das mir den Job anbietet, das ich mir dort auch erhoff?

3. Warum i unbedingt Latein machen muss?

6. Werde ich nach dieser Krise, in der der kulturelle Bereich immer wieder einstecken muss, einen Job finden?

Bild Vita Martina Baleva: Vim Ridal, Time Painting, 20.9.2014–28.4.2018, Öl auf Leinwand auf Holz, 100 × 100 × 5 cm, Courtesy of the artist / Alle anderen Bilder: (c) BfG 

🔗 Der Beitrag ist eine Gemeinschaftsproduktion von Büro für Gegenwartskunst & Kunsthistorikerin Lena Ganahl.

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für Einsteiger*innen:

Was muss gelesen werden? Über was spricht man?

Johannes Jahn. Wörterbuch der Kunst (Kröner)

John Berger. Sehen. Das Bild in  der Welt der Bilderwelt (S. Fischer)

Gottfried Böhm. Was ist ein Bild? (Wilhelm Fink)

Susan Sontag. Über Fotografie (S. Fischer)

Pierre Cabanne. Gespräche mit Marcel Duchamp (Verlag der Buchhandlung König)

Aby Warburg. Werke in einem Band (Suhrkamp)

Walter Benjamin. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Reclam)

Hans Belting. Bild und Kult (C.H. Beck)

Rudolf Arnheim. Kunst und Sehen. (De Gruyter)

Ernst Gombrich: Die Geschichte der Kunst

Kunstgeschichte eine Einführung (Belting, Kemp)

Kemp: Geschichte der Kunst (DuMont)

Susanna Partsch: Einführung in das Studium der Kunstgeschichte/
Sternstunden der Kunst

Reclam-Reihe: Kunst-Epochen in 12 Bänden

EINSTEIGER GEGENWARTSKUNST

Hubertus Butin: Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst

Philipp Ursprung: Die Kunst der Gegenwart (C.H. Beck)

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