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Die Gegenwart grüßt

Lange Nacht
des Ungehorsams

Zum Aufstehen an diesem Samstag JETZT die ganz große Frage: Was darf Kunst? Alles?! Angeschoben hat diese Diskussion einmal mehr das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS). Dieses Mal mit künstlerischer Verweigerung. Was ist passiert? Anlässlich der deutschen Bundestagswahl hat das Künstler*innenkollektiv den "Flyerservice Hahn" gegründet, der für die vom deutschen Verfassungsschutz beobachtete AfD laut eigenen Angaben insgesamt 5 Millionen Flyer/Plakate/Merch verschicken sollte. Hat die fiktive Flyerfirma natürlich nicht gemacht. Weil es sie nicht gibt. Was es gibt, ist ein Riesenhaufen an hochproblematischem Wahlwerbematerial, das mithilfe des ZPS nicht an die Öffentlichkeit gelangte. Eben absichtlich. (Das Making of der Aktion findet ihr hier). Ist das noch Kunstaktion oder schon Wahlmanipulation? ZPS-Kopf Philipp Ruch antwortet hier darauf. Wie bei älteren Aktionen des ZPS – die "Arbeitsbeziehung" zwischen AfD und ZPS besteht ja schon länger, siehe hier – gibt es jetzt Applaus, Kritik oder ein Debattieren über Kunst & Aktivismus. Dafür muss man dem ZPS also schon einmal danken. Damit wäre die Frage aber noch nicht geklärt: Darf Kunst jetzt denn alles? Durfte Ulay 1976 den Spitzweg stehlen? Und what about Jens Haaning, der diese Woche in allen Medien steil ging, weil er für die Ausstellung "Work It Out" das Werk "An Average Annual Danish Income" eben nicht wie ausgemacht ablieferte, sich die vom Kunsten Museum of Modern Art im dänischen Aalborg geliehenen 70.000 Euro für das Auftragswerk aber einbehielt. Bis dato. Auch um damit auf die prekäre Situation vieler Künstler*innen aufmerksam zu machen. Vereinbart war eigentlich eine Neuauflage von "An Average Austrian Year Income", das er 2007 schon in der Wiener Secession zeigte. Die Arbeit bestand damals aus 1 Bilderrahmen, in dem 51 500er-Scheine und ein paar Zerquetschte eingefasst waren. In Aalborg hat Haaning nun einen leeren Bilderrahmen zur Ausstellung gesandt. Ein neues Werk und ein neuer Werktitel war geboren: "Take The Money And Run" darf dabei wortwörtlich genommen werden. Wenigstens bis zum Ausstellungsende im Jänner 2022. Was dann passiert? Wir werden dran bleiben. 1 wirklich schönes Beispiel für Ungehorsam haben wir noch: Die Vorarlbergerin Maria Anwander geht mit ihren konzeptuellen Arbeiten immer wieder bewusst auf Konfrontationskurs mit dem Kunstbetrieb. Im besten Falle institutionskritisch ist nicht nur ihre Arbeit "The Kiss (MoMa)", sondern auch "The Contribution (LACMA)". In beiden Fällen hat sich die Künstlerin nicht an die Regeln des Betriebs gehalten und sich in Museen eingeschrieben. Auf ihre ganz eigene Weise. Mit Maria Anwander haben wir hier übrigens schon einmal über ihre Arbeit zwischen Berlin und Bregenz gesprochen. Auch in ihrem Falle stellt sich die Frage "Was darf Kunst?". Pauschalantwort gibt es darauf keine. Weil die Frage ständig neu diskutiert werden muss.

UND weil wir zuerst schon einmal thematisch in der Wiener Secession waren: Den zentralen Raum hat dort aktuell Danh Vo übernommen (siehe Bild), der einen ganzen Blumenstrauß an Themen mitbringt. Vom Denkmalthema (wie schon 2013 im Museion) bis hin zur kollektiven Erinnerung bringt er auch etliche, mit persönlichen Geschichten aufgeladene Objekte mit in den Raum. Und Kapuzinerkresse! Wer in Wien ist, sollte unbedingt vorbeischauen.
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Ihr wisst, unser Special über Kunst in der Landschaft ist auf unserer Webseite nach wie vor ON – um das Themenfeld stetig zu erweitern, geht unsere Suche nach interessanten Projekten weiter. In Innsbruck gilt es dafür einmal mehr auf die Förderschiene für "Kunst im öffentlichen Raum" hinzuweisen. In diesem Rahmen wurde gestern Mitternacht der "Monat des Makaken" eingeläutet. What? Ja, ein Architekturkollektiv bestehend aus Fabian Lanzmaier, Lino Lanzmaier, Martina Moro, Pina Prantl und Andreas Zißler hat in einem Park ein temporäres Badehaus gebaut, wo man neben Videoprojekten, very special Abenden (heute Abend etwa mit Mario de Vega) und Workshops eben auch einfach baden kann. Inspiration dafür lieferten japanische Badehäuser (und badende Äffchen aka Makaken). Dass das Baden ein besonderes Ritual sein darf, untersuchte heuer schon diese Performance. Und dank der Makaken geht es jetzt einen ganzen Monat lang ums gemeinsame (!) Plantschen. Und damit ums Zusammenfließen unterschiedlicher künstlerischer Sparten. Dass die Tiroler Architekturszene diesen Austausch nicht scheut und die Arbeit im Kollektiv auch gelebt wird, haben wir euch hier schon einmal versucht, näher zu bringen. Und SPOILER! Das wird demnächst noch einmal Thema bei uns werden. Ihr dürft euch freuen.
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Pause Ende, jetzt weiterlesen:
Heute Abend? Du und wir 1 Nachtschicht im Museum? Richtig, heute ist in ganz Österreich "Lange Nacht der Museen". Mit einem Ticket geht es bis 1 Uhr Früh auch in unseren Breitengraden in etliche Häuser (Tirol: 60, Vorarlberg: 64). Was viele vielleicht nicht wissen, auch über die Grenzen hinweg beteiligen sich Institutionen; in Liechtenstein: 8, in der Ostschweiz: 8 und 6 in Deutschland. Wie gut eine solche Initiative ausfällt, hängt natürlich vom Engagement der Häuser ab. Was würden wir euch empfehlen? Alle, die gerade in Wien herumstreunen sollten das Wochenende nutzen, um im MAK die letzten Tage der Vienna Biennale for Change zu sehen – einfach weil die Ausstellung fett ist. In Tirol sperren die Tiroler Landesmuseen heute Abend ihr High-End-Sammlungs- und Forschungszentrum fürs Publikum auf – wäre sicher interessant. In Genuss kommen leider die ganz Schnellen: Die Anmeldefrist für eine Führung durchs Lager lief bereits gestern Abend ab. Was wir uns gut vorstellen können: 1 Abend im magazin 4 in Bregenz. Dort läuft aktuell "Kreissaal" von tOmi Scheiderbauer, ein Künstler mit dem Vorarlberger Comeback-Stipendium (nicer Gedanke!) in seine Heimat zurückgeholt wurde. In Bregenz hat er jetzt ein temporäres Parlament installiert, wo es quasi wie bei den Makaken in Innsbruck ums Zusammenkommen geht – unkuratiert oder kuratiert (mit Gästen wie Thomas D. Trummer aus dem KUB oder Maria Simma aus dem Künstlerhaus Bregenz – beide waren hier einmal unsere Gesprächspartner*innen).
Übrigens: Wie viele der rund 640 Häuser sich der Gegenwartskunst widmen, haben wir – frei nach dem heutigen Thema Ungehorsam – nicht abgezählt. Aber überwältigend viele sind es nicht. Deshalb 1 kleiner Denkanstoß: In Italien gibt es bereits seit 17 Ausgaben die Giornata del Contemporaneo, veranstaltet vom Museumsverband AMACI, in dem 1 Tag lang in ganz Italien die zeitgenössische Kunst im Mittelpunkt steht. Na, wäre das 1 Idee auch für den Alpenraum?
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WHAT'S NEXT?

"The Party" hat die Galerie der Stadt in Schwaz gestern Abend eröffnet. Ganz feierlich – und als Szenario der Entfremdung. Kurator Maximilian Geymüller zeigt dort Arbeiten von Nina Beier, Merlin Carpenter (siehe Bild: Werk an der Wand), Karoline Dausien, Trisha Donnelly, Benjamin Hirte (siehe Bild: Werk am Boden), Margaret Honda, Anita Leisz, Hans-Christian Lotz, Marlie Mul, Torbjørn Rødland, Anne Speier, Marina Sula, Heimo Zobernig. Ähnlich viel hat sich die Ausstellung vorgenommen: Es ist eine Schau "um unklare Verbindungen, die uns nicht braucht. Über Deplatzierung, Sprachlosigkeit, Small Talk, One-Liners, Missverstehen, Selbstreferenz und die Befreiung von der Autorität" – heißt es im Ausstellungstext. Das müssen wir uns ansehen!

Erste Einblicke in die Ausstellung
gibt es wie immer drüben bei Instagram!




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Mehr auf buerofuergegenwartskunst.com

Bildcredits: (1) ⁠ (c) BfG, Screenshot Instagram , Foto: Nick Ash (2) c) BfG, 2x Screenshot Instagram (3) BfG Installationsansicht "Vienna Biennale for Change" & c) BfG (4) c) Galerie der Stadt Schwaz,, Installationsansicht "Party".

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