Kultur:Einfach nur leere Rahmen

Woman looks at an art installation titled 'Take the Money and Run' at the Kunsten Museum of Modern Art, in Aalborg

Das, nun ja, Werk von Jens Haaning im Kunsten-Museum im jütländischen Aalborg.

(Foto: Ritzau Scanpics/Reuters)

Der Künstler Jens Haaning hat ein dänisches Museum um 74.000 Euro geprellt. Ist das jetzt Diebstahl oder doch Kunst?

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Der vollendete Raubzug ist der, der vor aller Augen stattfindet. Und der dann noch die Öffentlichkeit zu Komplizen macht. Auftritt Jens Haaning, geboren 1965, Künstler, wohnhaft in Kopenhagen.

Haaning widmet seine Werke oft den Marginalisierten, er hat auch schon mal die Glühbirnen ausgetauscht zwischen einer Straßenlaterne in Hanoi und einer in Kassel ("Light bulb exchange", 2002). Außerdem schuf er einst zwei Bilder, die ganz plastisch 2007 das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Österreichers und 2010 das eines Dänen zeigen: In Wien klebten dafür in einem Gemälderahmen 51 frisch von der Bank geholte 500-Euro-Scheine, eine 200 Euro-Note und zwei Euro-Münzen.

Nun plante das Kunsten-Museum im jütländischen Aalborg für den Herbst unter dem Titel "Work it out" eine Ausstellung über unser Verhältnis zur Arbeit und zum Geld und hielt es für eine gute Idee, Jens Haaning mit einer Rekonstruktion dieser zwei Bilder zu beauftragen. Da der Künstler dafür erneut eine ganze Menge echter Banknoten benötigte, überwies ihm das Museum stattliche 550 000 Dänische Kronen - 74 000 Euro - in der Erwartung, die Summe zum Kunstwerk veredelt zu Ausstellungsbeginn am vergangenen Freitag zurückzuerhalten. Man freute sich auf "cooles Cash und coole Ästhetik", so kann man das auf der Webseite der Ausstellung noch nachlesen.

Der Titel des Werks: Take the money and run

Es kam also die vergangene Woche, es kam auch ein Paket des Künstlers. Nur: Als Museumsdirektor Lasse Andersson das Paket öffnete, war von den Banknoten keine Spur zu sehen. Stattdessen zwei leere Bilderrahmen und eine E-Mail des Künstlers: Er habe sich entschlossen, eine völlig neue, wesentlich sinnstiftendere Arbeit zu schaffen, und die trage nun den Titel: "Take the money and run". Mit freundlichen Grüßen, Jens Haaning. Der Künstler hatte das Geld genommen und sich aus dem Staub gemacht.

Na ja, fast. Vom Geld gibt es noch keine Spur, Jens Haaning aber marschierte ins Studio des öffentlich-rechtlichen Rundfunks DR, wo er sein Tun mit der "beschissenen" Bezahlung erklärte, die er als Künstler wieder einmal erhalten habe - 25 000 Kronen in diesem Fall, 3300 Euro, was nicht einmal seine Kosten decke. Irgendwann habe er gedacht: "Warum mache ich keine Arbeit über meine eigene Arbeitssituation?" Also machte er eine.

Der Museumsdirektor will sein Geld zurück

Museumsdirektor Lasse Andersson ist nicht ohne Humor. Er hat die beiden leeren Bilderrahmen in die Ausstellung hängen lassen, daneben die ausgedruckte E-Mail von Jens Haaning. Der Direktor, ganz Profi, sieht in den leeren Rahmen Haanings einen "Kommentar dazu, wie wir alle arbeiten, einen Kommentar zum Wert dessen, was er schafft". Das Werk habe "viele interessante Schichten". Sein Geld möchte er trotzdem wiederhaben. Es gehöre schließlich nicht dem Künstler, sondern dem Museum. Vor Ende der Ausstellung am 14. Januar aber wolle er nicht zur Polizei gehen. Die ursprüngliche Vereinbarung hatte vorgesehen, dass der Künstler an dem Tag die Banknoten zurückgibt.

Dem Sender DR teilte Haaning nun mit, dass er den Teufel tun werde. "Mein Werk", sagte er, "besteht darin, dass eine halbe Million fehlt, dass ich Ihr Geld genommen habe." Kein Dieb, ein Künstler.

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