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Die Gegenwart grüßt

Kühle Denkmäler
fürs Prekariat

Da geht es euch sicher gleich. Die Art Basel hat gerade einmal 24 Stunden fürs Publikum geöffnet und doch überschwemmen Basel-Bilder bereits seit Tagen unsere Social-Media-Feeds. Die VIPs sind inzwischen schon wieder abgezogen. Hängengeblieben ist folgendes Bild: Kein privater Schnappschuss, sondern "The Outsiders" von Elmgreen&Dragset. Das norwegisch/dänische Duo hat für "Unlimited", die quasi-museale Sondersektion mit Großformaten, am Seiteneingang der Messehalle einen alten Mercedes mit russischem Kennzeichen abgestellt. Darin: Ein ziemlich lebensechtes, junges Kunsthändlerpärchen beim Kuscheln nebst eingepackten Original-Editionen und Ausweisen, die sie als Aussteller kennzeichnen. Von wegen Bling Bling! "The Outsiders" sind ein Denkmal fürs Prekariat – und stehen für all jene, die die Messe erst möglich machen, erklärt das Künstlerduo hier. Dass Elmgreen&Dragset für kunstvolle Irritation stehen, dürfte seit Prada Marfa klar sein. Dass diese Irritation unsere Gefühle triggert ebenso. Anhand ihrer Arbeit "Modern Moses" in der Pinakothek der Moderne in München haben wir noch vor der Pandemie einmal ein wildes Emotionen-Experiment unternommen – mehr dazu lest ihr hier. Wer mehr mit der diesjährigen, sehr späten Art Basel bonden möchte, dem haben Elmgreen&Dragset hier ihre favorite picks für 2021 zusammengefasst. Andere sagen ja, das sollte man nicht verpassen. Und andere erklären die weltweit wichtigste Kunstmesse zum Hören. Wirklich nahe ist uns die Art Basel persönlich eigentlich nicht. Zuviel Money, Money, Money. Schon vor Publikumsöffnung sollen die Sammler*innen in Basel einmal mehr ordentlich zugelangt haben. Eine Studie der Schweizer Messe zufolge sind die Millenials in puncto Kauflust übrigens auf dem Vormarsch. Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Elmgreen&Dragsets Denkmal fürs Prekariat wäre eventuell für 365.000 Dollar zu haben. 👀! Da switchen wir lieber noch einmal auf die getriggerten Gefühle zurück, die vielleicht den einen oder die andere über die realen Bedingungen vieler Kunstschaffender nachdenken lassen. Diese Studie von 2018 besagt, dass B.C. (before Corona) 37 Prozent der Künstler*innen in Österreich ein Einkommen hatten, das unter der offiziellen Armutsgrenze liegt. Sollten wir vor diesem Hintergrund nicht endlich wieder einmal über Fair Pay sprechen? Natürlich. Immer wieder. Mehr dazu gibt es demnächst.
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Und jetzt eine Abkühlung gefällig? Peter Senoner hat aktuell wohl genug von Abkühlung. Im Rahmen von transart hat der Künstler jetzt 2 Tage lang unter Extrembedingungen Kunst gemacht. Unter dem Motto war "ARTARTIC" ging es für ihn in eine Kältekammer, genauer in den TerraXcube der Eurac im NOI-Techpark in Bozen, wo es nicht nur dauerhaft minus 10 Grad hat, sondern auch eine steife Brise weht und der Sauerstoff knapp wird. Wie am Mount Everest eben. Im Bozner Basislager hat Senoner sein Atelier aufgeschlagen und Kunst geschaffen, die auch davon beeinflusst wurde, wie es ihm gerade körperlich geht. EKG-, Herz- und Atemfrequenz boten den Ausgangspunkt für seine großformatigen Zeichnungen. Hier konnte man ihn beim Arbeiten beobachten. Apropos Arktis! Dazu fällt uns aktuell der Tiroler Künstler Gregor Sailer ein, der für sein jüngstes Projekt "The Polar Silk Road" ebenso in einer Extremsituation fotografiert hat. Nämlich direkt in der Arktis. Warum? Sailer sucht sehr gern sehr spezielle Orte für seine dokumentarischen Serien auf. Es waren schon einmal hermetisch abgeschlossene Strukturen, wie u.a. Militärbasen in der Serie "Closed Cities" oder Architekturen, die bloße Kulissen sind (in der Serie "The Potemkin Village"). Auch die Vorbereitung, das monatelange Warten auf eine Genehmigung, gehört hier zum künstlerischen Akt. Aktuell zeigt Sailer Motive aus "The Polar Silk Road" am Südtiroler Kronplatz. Auf über 2000 Höhenmetern, im dort ansässigen, noch recht neuen Lumen-Museum. Eine extreme Lage für extreme Fotos.
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Pause Ende, jetzt weiterlesen:
Wer über die Arktis und (klimatische) Extremsituationen schreibt, kommt nicht umher, die Klimakrise mitzudenken, die als Thema natürlich längst in den heimischen Museen angekommen ist. Nicht nur um über Veränderungen und Nachhaltigkeit zu diskutieren – wie derzeit (u.a.!) im Kunsthaus Zürich oder dem MAK in Wien – sondern auch um selbst Stellung zu beziehen. Das TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol wurde heuer von ICOM für die Initiative 17 Museen x 17 SDGs nominiert. Mit dabei sind österreichische Museen, die als Role Models fungieren, weil sie sich den UN-Nachhaltigkeitszielen widmen. Zur Erklärung: Nachhaltigkeit wird hier nicht nur von einer ökologischen, sondern auch von einer sozialen und ökonomischen Warte aus interpretiert. Das TAXISPALAIS wird das Ziel "Keine Armut" bearbeiten, den Fokus auf armutsaulösende Faktoren legen und sich dem Thema diskursiv nähern. Wären wir wieder im Prekariat angelagt. Auf dem Plan stehen Aktivitäten in der Ausstellung "Hexen", über die wir schon einmal berichtet haben. 2019 hat die Kunsthalle Tirol übrigens schon einmal ihren Zugang zur Klimakrise formuliert: In "Ökokino" ging es um den Vorschlag zu einer Ökokomplizenschaft, also einer lustvollen Beziehung zu unserem Planeten. Dafür hat sich das Museum kurzerhand in ein Kino verwandelt. Und Susanne Pfeffer hat die Ausstellung im Artforum prompt unter die besten des Jahres gelistet.


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WHAT'S NEXT?

Auch die aktuelle Techno-Ausstellung im Bozner Museion haben schon einmal angesprochen. Inzwischen haben wir sie live und Farbe gesehen – was ihr unbedingt auch tun solltet. Denn die Schau blinkt, kracht und flasht nicht nur ordentlich, sondern es gibt auch jede Menge Hirnfutter mitgeliefert. Im Techno-Reader. Oder diesem neuen Podcast. UND jetzt ist es raus: 2022 will das Museion dem kürzlich verstorbenen Künstler David Medalla ein Porträt widmen. MOMENT, darüber hat Bart van der Heide ja schon mit uns gesprochen. Wollt ihr mehr? Here you are.

Mehr Schaumaterial zur Ausstellung
gibt es wie immer drüben bei Instagram!




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Bildcredits: (1) ⁠ (c) BfG, Screenshot Instagram (2) c) Tiberio Sorvillo für transart, & c) BfG, Installationsansicht von "The Polar Silk Road", Lumen-Museum, 2021 (3) BfG Installationsansicht "Hexen", 2021 & Installationsansicht "Ökokino", 2019; Courtesy Icarus Films Foto: Günter Kresser (4) c) BfG, Installationsansicht "Techno", Museion Bozen

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