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Die Gegenwart grüßt

Milchige
Aussichten

Ihr habt eine interessante Ausstellung konzipiert, die richtigen Künstler*innen im Kopf, der große Titel aber fehlt noch? Erspart euch langes Grübeln, hier ist die Lösung für jede*n lazy curator. Schon 2010 entwickelte Rebecca Uchill den "Lazy Curator Random Exhibition Title Generator", ein Programm gefüttert mit dem Vokabular aus Ausstellungen, Besprechungen und Gesprächen über Kunst. Ob Cecilia Alemani ihren Titel zur Biennale-Hauptausstellung auch generieren hat lassen? Nein, "The Milk of Dreams" hat schon seine eigene Geschichte: Der Titel holt sich Inspiration aus einem Buch der mexikanischen Künstlerin Leonora Carrington (1917-2011). In den 1950ern tapezierte diese ihr mexikanisches Zuhause mit Malereien mysteriöser Märchen aus, später gingen sie in das Notizbuch "The Milk of Dreams" über. Ein Buch, in dem " [...] the Surrealist artist describes a magical world where life is constantly re-envisioned through the prism of the imagination, and where everyone can change, be transformed, become something and someone else. The exhibition takes us on an imaginary journey through metamorphoses of the body and definitions of humanity," so Alemani. Uh! Eine Welt, die vor Möglichkeiten übersprudelt. Es dürfte bei Alemani also wohl um die ganz großen Fragen gehen, um eine zeitgenössische Definition des Körpers, des Menschen und ja, der Gesellschaft. Dazu lassen sich einige kluge Metaphern generieren. Ob's am Schluss trotzdem milchig wird oder nebulös bleibt – do you rememeber Lara Favaretto's Rauch zur Biennale 2019 (siehe Bild)? – werden wir im April 2022 erfahren.
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Ein bisschen Biennale gibt es aktuell auch in unseren (alpinen) Kreisen. Schon seit 2011 zeigt die Festung Franzensfeste (die 2009 im Rahmen der manifesta 7 zu einem gigantischen Kulturort umgemodelt wurde), die Südtiroler Biennale 50x50x50. Künstler Hartwig Thaler hat sie initiiert und bisher fünf Mal 50 Südtiroler Künstler*innen in 50 Räumen 50 Tage lang gezeigt. Heuer sind erstmals nicht nur Südtiroler, sondern auch Tiroler und Künstler*innen aus dem Trentino zu "50x50x50" geladen – auch dank dem ansonsten in puncto Gegenwartskunst eher mageren Museumsjahr der Euregio (aka Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino). Die 62 Künstler*innen für heuer wurden demokratisch auf dem riesigen Areal verteilt, die Räume wurden ohne kuratorischen Druck verlost. Noch bis 3. Oktober kann man sich in- und außerhalb der Festung einen guten Überblick über das aktuelle Kunstschaffen rund um den Brenner machen. Na, interessiert? (Näheres aus Tiroler Perspektive findet ihr hier, aus Südtirol hier). UND wenn ihr abseits davon überhaupt einen Überblick zu zeitgenössischer Kunst im westlichsten Österreich und dem nördlichsten Italien sucht, haben wir euch hier und hier transalpinen Lesestoff zusammengestellt.
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Pause Ende, jetzt weiterlesen:
Wie glaubwürdig ist unsere Kunstgeschichte eigentlich? Dieser Frage geht die hochinteressante MDR-Doku "Lost Women" (2020) von Susanne Rabelhofer gerade nach, die aktuell auf ARTE läuft. In zwei Teilen untersucht sie vom Impressionismus bis in die Gegenwart, warum Frauen in der Kunst nach wie vor unterrepräsentiert sind. Die Gründe sind vielfältig (und teilweise bekannt). Das Schöne an dieser Doku: Frauen sprechen über Frauen. Mit dabei etwa Kritikerin Julia Voss, die dem elendigen Vorwurf "Es waren nicht so viele" endlich die Tatsache "Es waren aber auch nicht so wenige" gegenüberstellt. Warum Werke von Frauen in ständigen Sammlungen von Museen nur etwa fünf Prozent ausmachen, dem geht auch die Florentiner Initiative Advancing Woman Artists nach: Sie sucht in Archiven oder Sammlungen nach "lost women", also Künstlerinnen. Und hat mir ihrem Engagement schon so manche Schätze hervorgebracht. Und wenn wir schon bei Zahlen sind: Vorgestellt wird auch Künstlerin Sibylle Zeh, die 2009 für eines ihrer Werke ein Reclam-Kunstlexikon bearbeitete: Von 5000 Einträgen übermalte sie bewusst die Artikel über KünstleR. Übrig blieben (WHAT?!) 169 Beträge zu KünstlerINNEN – und damit ein fast leeres Kunstlexikon. Apropos Buch! Das führt uns gleich zum nächsten Tipp: Ein Buch FÜR Künstlerinnen schrieben 2020 die Künstlerinnen Janine Mackenroth und Bianca Kennedy, die für ihre Publikation "I ♥️ Women in Art" 100 Frauen im Kunstbetrieb nach ihren Lieblingskünstlerinnen befragten. Ihr braucht mehr Info dazu? Bitte nach hier folgen.

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WHAT'S NEXT?

Das Helmhaus in Zürich zeigt regelmäßig Schweizer Gegenwartskunst. Bei unserem letzten Besuch trafen wir dort auf "Zirkuliere! Eine Konspiration" – eine schön verwehte Gruppenschau von Schweizer Kunstschaffenden, die auf Zirkulation und Austausch setzt – natürlich auch mit dem Publikum. Very nice!

(Weitere Sneak Peeks zur Helmhaus-Ausstellung
gibt es wie immer drüben auf Instagram...)


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Mehr auf buerofuergegenwartskunst.com

Bildcredits: (1) c) BfG, Biennale di Venezia, 2019 (2) c) BfG: Ausstellungsansichten von 50x50x50 (Festung Franzensfeste): Laurina Paperina "Stay at home and...", 2021; Christoph Hinterhuber "chrishotphinterhubre", 2021; Astrid Gamper "There's blood beneath every layer of skin.", 2021; Drifters (Valentina Miorandi & Sandrine Nicoletta) NONSENSE, 2020; (3) 2x c) BfG, Screenshot ARTE, 1x c) BfG, Fotografiertes Cover von "I love Women in Art" (4) BfG, Ausstellungsansicht "Zirkuliere! Eine Konspiration" (Helmhaus Zürich).

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